Der Kreuzweg bei unserer Kirche

Der bestimmende Gedanke für den Kreuzweg von der Eduard-Spranger-Straße herauf und von der Johannes-Reuchlin-Straße herüber zur Kirche war: "Sein wandernd Volk will leiten der Herr in dieser Zeit; er hält am Ziel der Zeiten dort ihm sein Haus bereit." Damit wurde die Leitidee durch das epochale Ereignis des II. Vatikanischen Konzils geprägt.

Zur künstlerischen Gestaltung des Weges und der Wegzeichen wurde von der Gemeinde in Zusammenarbeit mit dem Bischöflichen Bauamt und der Kunstkommission der Diözese Rottenburg-Stuttgart ein Wettbewerb ausgeschrieben. Künstler Joachim Sauter aus Stuttgart erhielt den Auftrag und konnte das Werk bis Palmsonntag 2004 vollenden.

„Die Zeichen am Weg machen nicht nur aufmerksam und fordern den aufmerkenden Spaziergänger, Pilger, Kirchgänger zu einer Stellungnahme heraus; sie wollen verstanden und müssen gedeutet werden.“ Pfarrer Heinz Tiefenbacher, 2004

Dieser Weg mit seinen vier Stationen ist zeitlos, denn die Stationen erinnern uns an ethische, christliche Werte. Die Sätze aus Evangelien und Psalmen auf den Stelen dienen als Wegweiser, sie spannen den Bogen vom Leben Jesu zu uns. Jede Station lädt zum Innehalten ein, stellt Fragen und sieht unseren Antworten mit Interesse entgegen!

Die folgenden Zeilen geben Gedanken zu diesem Kunstwerk wieder.

Erste Station

„Ecce homo“ Johannes 19,5

„Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ Matthäus 25,40

„Ecce homo“, „Seht, der Mensch“ rief Pilatus entsetzt beim Anblick des gefolterten Jesus, hoffend, man erbarme sich seiner.

Vor der Wand mit Satzfragmenten Jesu aus dem Johannes Evangelium, die zu einem liebevollen Miteinander auffordern, steht ein Mensch unserer Tage, der Schlimmes erlebt hat. Seine Wunden zeigen in ihm den verfolgten Jesus!

„Ecce homo“, „Seht, der Mensch“ ist die Aufforderung an uns, Menschen in Not, auch seelischer, bedingungslos zu helfen.

Zweite Station

„Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt, werdet ihr gemessen werden“ Matthäus 7,2

Jesus stand dem Hohen Rat der Ältesten Rede und Antwort, aber seine Aussagen entsprachen nicht der Gesetzlichkeit der Hohepriester und Schriftgelehrten.

Auch heute stehen Menschen unverstanden vor Gericht, gefangen zwischen Ordnern und Akten. Details in der Wand zeigen Schicksale dahinter, ein mit Flüchtlingen überladenes Schiff auf dem Meer, ums Überleben Kämpfende. Zwischen den Akten, in Augenhöhe, blicken wir auf das Gesicht des zu richtenden Menschen!

Zeitlos ist der Satz aus dem Evangelium nach Matthäus 7,2, er fordert uns auf, ein rechtes Maß zu finden, nicht zu hart zu richten, sich in den Angeklagten zu versetzen, ja, sogar letztlich Schuld zu vergeben, wie wir es im Vaterunser versprechen.

Dritte Station

„Mauern trennen, Gewalt bringt zu Fall“ Sinnspruch

„Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“ Psalm 18,30

In der Tradition der Kreuzwegstationen ist Jesus unter der Last des Kreuzes drei mal gefallen.

Diese Station zeigt den Abdruck von Händen und Gesicht eines gefallenen Menschen. Reste von Waffen, zerbrochene Gefäße zeigen das Ende des zivilen Lebens: überall Spuren der Gewalt und Zerstörung.

Die niedere Mauer fordert uns zu einem Blick auf die zerborstene Erde der anderen Seite heraus, sie erinnert uns aber auch an Gewalt durch Ausgrenzung, durch Wegsehen.

Der Satz aus dem Psalm erfüllt uns mit Zuversicht, durch Gottvertrauen Mauern zu überwinden, auch die Mauern im Geist.

Vierte Station

„Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie“ Genesis (1. Mose) 1,27

Drei hohe Stelen erinnern an drei Kreuze, aber auch an die Dreieinigkeit. Wir finden den Menschen dieser Station sowohl am Kreuz als gleichzeitig erhöht im Zentrum der Dreieinigkeit! Er zeigt sich als Geschöpf Gottes, er ist der Natur, dem Leben geschenkt.

Mit Liebe zum Menschen, zum Leben und zur Natur können wir Gott danken. Jörg Ihringer