Ein Steckbrief aus theologisch-dogmatischer Sicht

Gesucht: Geistliche Gemeindeleiter*innen (Priester*innen)

Dogmatische Basis: Seit den Anfängen der christlichen Gemeinden erweist sich ein Charisma als unverzichtbar: ihre geistliche Leitung. Da die Gemeinden ein solches Charisma als notwendig erachteten, wurde es zu einem öffentlichen und ständigen Dienst, zu dem durch eine feierliche Amtshandlung, Ordination genannt, beauftragt wurde. Die Berufung erfolgt durch Jesus Christus, die Handlung durch den Heiligen Geist, der durch bereits ordinierte Amtsträger inmitten der Gemeinde handelt; die Gläubigen rufen im Bittgebet den Geist auf die herab, deren charismatische Begabung sie erkannt haben. So wie die Einsetzung in das Amt innerhalb der Gemeinden geschah, so gehört das Amt in die Gemeinde: Die Amtsträger*innen stehen nicht über der Gemeinde, wohl aber in wichtigen Lebensvollzügen der Gemeinde (Predigt, Sakramente) innerhalb der Gemeinde dieser gegenüber. Sie handeln dann nicht aus eigener Vollmacht, sondern sind Werkzeug Jesu Christi, des Herrn der Kirche, und seines heiligen Geistes. In diesem „innerhalb Gegenüber“ kommt zum Ausdruck, dass Gemeinde (Kirche) nicht aus sich selbst und nicht für sich selbst lebt, sondern ihr Wesen und ihre Sendung der unverfügbaren Gnade Gottes verdankt.
Kirchengeschichtliche Erfahrungen: Das Amt der geistlichen Leitung gehörte immer zum Selbstverständnis und zur Grundstruktur der Gemeinden (Kirchen). Die konkrete Gestalt, ja auch die theologische Begründung dieses Amtes und seiner Aufgaben variieren in der Geschichte der Kirche sehr. Das Bestreben, das Christentum als die wahre Religion hinzustellen, die alle anderen übertrifft, führte dazu, dass die Kirche allzu nahe an Titel und theologische Ideen anknüpfte, die in Spannung zur Vorgabe im Neuen Testament stehen. Dies führte zur Ausbildung einer Hierarchie und einer Spaltung in Klerus und Laien. Die Vorstellung davon, was „priesterlich“ ist, ähnelte häufig mehr dem, was andere Religionen darunter verstehen, verschärfte die kirchliche „Zweiklassengesellschaft“ und überforderte die Priester, die nach manchen Zeugnissen über den Engeln stehen und gleich nach Gott kommen. Gestützt und geschützt wurde dieses (Miss-)Verständnis durch die Einschärfung des Zölibats (mit ganz verschiedenen Begründungen!) und durch den Ausschluß der Frauen von diesem geistlichen Leitungsamt.

Und heute? Pastoral verantwortlich wäre eine Rückbesinnung auf die biblisch-dogmatischen Grundlagen, die Entwicklung des Amtes aus den Gemeinden heraus und seine Verwirklichung im Leben mit der Gemeinde.

Prof. Dr. Jochen Hilberath

 

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Meine Erfahrungen mit dem Priesteramt

Priester geworden mit vielen Zweifeln, ob ich mit meinen Fähigkeiten am richtigen Platz sei, fühlte ich mich anfangs als Vikar allein und in dem Vielen, was anstand, sehr am ‚Schwimmen‘, außer bei Predigtvorbereitung und Liturgie. Langsam merkte ich, dass ich eine Bedeutung hatte für andere, noch ohne etwas getan zu haben, allein dadurch, dass ich dabei war und als Priester die Sache von Glauben und Kirche repräsentierte (so lange ich nicht unangenehm auffiel). Ich lernte dazu und fühlte mich langsam wohler und sicherer unter all den Menschen. Am richtigen Platz fühlte ich mich aber bei Freizeiten mit Jugendlichen, wo zusammen an Themen gearbeitet, zusammen gelebt und daraus dann ein Gottesdienst gestaltet wurde; oder in einem Kreis von Jugendlichen, den sich diese gewünscht hatten, um über Glaubensfragen zu reden oder den Bibeltext des nächsten Sonntagsgottesdienstes.

Erst recht am richtigen Platz sah ich mich als Klinikseelsorger: immer noch Repräsentant der Sache und der Gemeinschaft des Glaubens, auch der Organisation, aber nicht mit Glockengeläut, Ministrantenkorso und dröhnender Orgel, sondern in sehr kleinem Rahmen: Als Person, die kranken Menschen anbietet, zu ihnen zu kommen, da zu sein, ihnen zuzuhören, sie ein kleines Stück Weg zu begleiten – abhängig davon, ob ich in einem Krankenzimmer, dessen Tür ich öffne, bei einem der Menschen, der hier sein muss, willkommen bin. Es hängt mit von meiner Haltung ab, meiner Empathie – erstaunlich oft gelingen wertvolle Begegnungen. Dabei bewunderte ich oft Angehörige, die anders als ich, der ich viele jeweils ein Stück begleiten kann oder will, einen Menschen voll und ganz und bis zum Ende begleiten. Die Auseinandersetzung mit mir selbst und dem Zölibat, hat dazu geführt, dass ich das Priesteramt nicht mehr weiterführen konnte: Hinter der damals nicht erwachsenen Entscheidung konnte ich nicht mehr stehen, wollte auch keine halbe oder unehrliche Entscheidung. Ich meine auch nach wie vor, dass der Zölibat als flächendeckende Verpflichtung aller Priester zur Ehelosigkeit nicht zur Glaubwürdigkeit der Kirche beiträgt.

Nun bin ich Priester ohne Amt – eine andere Lebensform, ein unscheinbares ‚Repräsentieren‘ wie das aller anderen Christen. Indem ich versuche – mit all meinen Unzulänglichkeiten – nach meiner Überzeugung zu leben: dass mein Leben von einem letzten Geheimnis getragen wird, dass dies ein gutes Geheimnis ist, wie Jesus deutlich machte, dem ich wertvoll bin und bleibe, auch in Schuld und Tod, dass es zu meiner eigenen Kraft werden kann, mit der ich vertraue, liebe, hoffe.

Fritz König, ehemaliger Klinikseelsorger in Tübingen

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Was bedeutet Priestersein für mich?

„Petrus aber stand auf“ (Lk 24,12). Dieser Satz aus dem Evangelium der Osternacht hat mich dieses Jahr besonders gepackt. Petrus verachtet die Worte der Frauen vom leeren Grab nicht wie die anderen Jünger als leeres Geschwätz, er resigniert nicht angesichts der ausweglosen Karfreitagsstimmung, er lässt sich nicht demotiviert hängen, weil die Jerusalemer Upperclass seinen Freund und Lehrer kreuzigen ließ, sondern er steht auf und geht zum Grab. Dieses Aufstehen – das ist für mich Ostern. Und tatsächlich steht bei den Worten der zwei Männer im Grab das- selbe Wort: „Der Menschensohn muss ... am dritten Tag aufstehen“ (Lk 24,7).

Der Missbrauchsskandal, die Austrittszahlen, der Glaubwürdigkeitsverlust, das geringer werdende pastorale Personal macht mir sehr zu schaffen – vor allem, wenn ich die konkreten Auswirkungen hier in Tübingen erlebe, wie zum Beispiel wenn ich höre, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr der katholischen Kirche anvertrauen wollen. So sehr ich die Sorge verstehe, so sehr trifft sich mich auch persönlich. Da möchte ich am liebsten sitzen bleiben.
Und doch packt mich das Wort: „Petrus aber stand auf“! Da entdecke ich für mich neu, was Priestersein für mich bedeutet. Ich verstehe mich in erster Linie als Theologe, der sich mit dem Wort Gottes (Bibel) beschäftigt – in Gebet, Meditation und Studium, aber auch im Dialog mit Literatur, Musik und Kunst. Meinen eigenen Glauben und meine eigenen Zweifel und Nöte versuche ich, mit dem Glauben der Kirche und dem Wort Gottes ins Gespräch zu bringen und weiterzugeben und mit Ihnen hier in Tübingen in Ihren vielfältigen Lebenslagen zu teilen.

Priester bin ich nie alleine. Das sind wir immer als glaubende Menschen gemeinsam. Wie die Jünger in Emmaus möchte ich mit Ihnen zusammen entdecken, dass beim Brechen des Brotes Christus in unserer Mitte ist und dass er es ist, der uns den Sinn der Schrift erschließt (Lk 24,30-32). Und wie die Jünger aufstehen – wie Petrus! – und nicht hoffnungslos sitzen bleiben, sondern nach Jerusalem zurückkehren (Lk 24,33), so möchte ich auch mit Ihnen gemeinsam aufstehen und christliches Leben in den Gemeinden in unserer Stadt gestalten und weiterentwickeln.

Im Juli 2004 wurde ich im Heilig-Kreuz-Münster in Schwäbisch Gmünd zum Priester geweiht. Das ist bald 15 Jahre her. Seitdem habe ich Vieles erlebt – meine damalige Entscheidung habe ich allerdings nicht bereut. Im Gegenteil: Ich bin sehr gerne Priester! Es ist eine erfüllende, sinnstiftende und schöne Lebensaufgabe für mich. Bei allen Herausforderungen erlebe ich von Ihnen Rückendeckung und Unterstützung. Das ist wichtig für mich. Dafür danke ich Ihnen herzlich!


Pfarrer Dominik Weiß

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Frauenweihe in der tschechischen Untergrundkirche 1948 - 1989

„Steh auf, du Schwein, du kommst mit uns!“ Auch Tschechen hatten ihre Bartolomäusnacht. Die tschechischen kommunistischen Funktionäre gaben ihr den Namen „Aktion K“. K stand für „Klöster“. In der Nacht vom 13.-14. April 1950 wurden die Mönche und Nonnen in ihren Klöstern überfallen und in Zentrallager in abgelegene Grenzgebiete deportiert. Auch hier hat die Geschichte der Frauenordination in der tschechischen Untergrundkirche ihre Wurzeln. Wir kehren bald an diesen Punkt zurück.

Mit unbeschreiblicher Brutalität ging das kommunistische Regime in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts gegen die katholische Kirche in der damaligen Tschechoslowakei vor. Sie war zum Feind und Schädling des Bürgers erklärt worden, den es zu beseitigen gilt: „Die Religion gehört auf den Misthaufen der Geschichte.“ Die Lage in den einzelnen Ländern des Ostblocks war unterschiedlich schwer. Der Architekt der vatikanischen Ostpolitik, Erzbischof Agostino Casaroli, hegte Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts wenig Hoffnung: In Polen ging es nach ihm um den modus vivendi (die Frage, wie Kirche lebt) und in Ungarn um den modus vivendi vel moriendi (die Frage, wie Kirche lebt oder stirbt).In der Tschechoslowakei, so Casaroli, käme lediglich der modus moriendi in Betracht: die Frage, wie Kirche zu ihrem Tod kommt. Das Todesurteil nahmen viele Christinnen und Christen nicht an. Sie engagierten sich weiter – im Untergrund. Teils sogar mit aktiver Unterstützung des Vatikans. Einer der größten Widerstandskämpfer und Architekten der Untergrundkirche in der Tschechoslowakei war Felix Maria Davídek. Die Meinungen über den Priester und Bischof Davídek gehen weit auseinander. Als unbestritten gilt allerdings, dass er ein Universalgelehrter mit der festen Überzeugung war, statt selbstgewählter Ohnmacht lieber ein pastorales Risiko einzugehen, dessen Ergebnisse später gegebenenfalls korrigiert werden müssen. Davídek weihte bereits Ende der sechziger Jahre verheiratete Männer zu Priestern.Davídek war es auch, der beschloss, in Bezug auf die Frauenfrage zu handeln. In seinem Selbstverständnis war er kein theologischer Revoluzzer. Seine Argumente für die Frauenordination waren sowohl theologischer als auch anthropologischer Natur. Die Bibel lege den Grundstein für die Gleichberechtigung von Mann und Frau; die Frauen besitzen bei den wichtigen christologischen Schlüsselszenen sogar eine Sonderstellung. Davídek wies darauf hin, dass die Diakoninnenweihe bereits in der alten Kirche praktiziert wurde. Nach Davídek wurde die Frau erst im Mittelalter in den gesellschaftlichen und theologischen Hintergrund gedrängt. Diese anthropologischen Irrtümer galt es nach Davídek zu überwinden. Er war davon überzeugt, dass die Kirche die Weihe der Frau gerade in der aktuellen pastoralen Notlage dringend benötigt. Viele der Ordensschwestern, die aus ihren Klöstern vertrieben worden sind, wurden zu jahrelanger Haft verurteilt. Davídek suchte für sie nach einer Möglichkeit, wie sie wieder Anteil am sakramentalen Leben der Kirche bekommen könnten. Weil nur Frauen in die Frauengefängnisse Einlass fanden, war die Weihe der Frau für Davídek gleichzeitig eine Antwort auf diese pastorale Not. Für Davídek war die Sakramentalität der katholischen Kirche ein hohes Gut, das gerade durch die Weihe der Frau in der Verfolgungszeit der Kirche aufrechterhalten werden konnte. Die Krisenlage muss der Kirche die Augen für die Dringlichkeit dieser Entscheidung öffnen: „Die Kirche schließt heute nicht auf, obwohl sie die Schlüssel hat, sondern rasselt nur mit ihnen (...) Das ist eine schreckliche Verantwortung.“

Davídek wählte den synodalen Weg. In einer Pastoralsynode – an der auch nicht-geweihte Vertreterinnen und Vertreter des Gottesvolkes volles Stimmrecht besaßen – ließ Davídek (1921-1988) über sein Vorhaben abstimmen. Über den Ausgang dieser Synode herrscht bis heute Uneinigkeit. Davídek scheint jedenfalls überzeugt gewesen zu sein, das Mandat erhalten zu haben, Frauen die Diakonen- und Priesterweihe zu spenden. Einige Mitglieder der Untergrundkirche warfen ihm daraufhin einen illegitimen theologischen Alleingang vor. Die von Davídek geweihten Frauen scheinen tatsächlich den Weg in die Nöte derer, die unter der kommunistischen Verfolgung am meisten gelitten haben, gefunden zu haben. Sie halfen vor allem Frauen und jungen Erwachsenen in schwerer Not.

Der Mut der Untergrundchristen – gerade auch der Frauen – ist den Christinnen und Christen in Hier und Jetzt ein Fanal: Bleibe nicht am Rand stehen, wähle nicht die bequeme Ohnmacht, sondern setze dich für deinen Glauben ein. Wir alle sind die Bestimmer unseres christlichen Daseins.

Dr. Petra Preunkert Skálová, Leiterin der keb Tübingen