Carlo Steeb und Luigia Poloni

Der am 18. Dezember 1773 geborene Sohn des Gastwirts »Zum Lamm« in Tübingen hieß natürlich Karl. Zu »Carlo« wurde er erst, nachdem sein an schwäbisch-pietistischer Frömmigkeit orientierter Vater, Johann Heinrich Steeb, den in Verona katholisch gewordenen Sohn Karl enterbt hatte. Doch die tiefe Religiosität seines Vaters und auch seiner Mutter, Christine Elisabeth Immendörfer, mögen für das entschieden christliche Engagement Carlo Steebs auf seinem weiteren Lebensweg ausschlaggebend gewesen sein. Der Vater, der auch im Wollhandel tätig war, schickte seinen Sohn zur Ausbildung erst nach Paris und dann nach Verona (1792). Hier lernte er im täglichen Umgang Lebens- und Glaubensweise katholischer Christen kennen. Er konvertierte, studierte Theologie und wurde 1796 - erst dreiundzwanzigjährig - zum Priester geweiht. Achtzehn Jahre lang widmete sich Don Carlo der Pflege der in den Lazaretten Veronas zurückgebliebenen Franzosen und Österreicher, ohne danach zu fragen, wer gerade zu den Siegern gehörte. Er lehrte an verschiedenen Schulen und kümmerte sich um Waisen und Kinderheime. Mehrfach machte er den Versuch, eine Schwesterngemeinschaft zur Krankenpflege zu gründen. In Luigia Poloni fand er die Frau, die dafür notwendig war. 1840 gründeten die beiden die »Gemeinschaft der Schwestern der Barmherzigkeit«, die das Armenhaus und das Spital in Verona übernahmen. 1848 erhielt die Gemeinschaft die päpstliche Bestätigung. Carlo Steeb, der noch erlebt hat, wie sich die neue Gemeinschaft bei der Choleraepidemie bewährte, starb 83jährig am 15. Dezember 1856, kurz nach der Einweihung einer Kirche für seine Schwestern, die er sich so sehr gewünscht hatte.

Der Gedenktag des seligen Carlo Steeb ist der 15. Dezember.

Sie hieß Luigia Francesca Poloni, mit Schwesternnamen Mutter Vincenza Maria, nach dem großen Vorbild Vinzenz von Paul. Mit Schmunzeln kann man registrieren, dass ihr Mädchenname Luigia in Deutschland ganz einfach mit Luise übersetzt wird (Luise-Poloni-Heim in Tübingen), während der deutsche Karl auch in Deutschland ein Carlo bleibt. Sie war (1802 geboren) fast dreißig Jahre jünger als Steeb. Ihre Eltern führten in Verona eine Apotheke. Luigia war das jüngste von 12 Kindern, sechs davon waren früh gestorben. Neben der Arbeit in der Apotheke musste sie eine Vielzahl von Nichten und Neffen beaufsichtigen. Als der Vater starb, nahm die 20jährige - an Stelle der immer kränklichen Mutter - die Führung der Familie in die Hand. Hier schon zeigte sie überraschende Fähigkeiten, mit Menschen umzugehen und Geschäfte zu führen.
Carlo Steeb wusste von ihrem Wunsch, in ein Kloster einzutreten,
sobald die Familienverhältnisse es erlaubten. So sehr er ihr Charisma erkannte, redete er ihr doch nicht zu und sprach nicht von seinem langgehegten Traum. Erst als 1835 die Mutter starb, hielt Luigia ihre Aufgabe im Kreis der Familie für beendet. Sie war die Frau, die Don Carlo für seine Pläne brauchte. Als er sie ansprach, Gründerin der Schwestern der Barmherzigkeit zu werden, soll sie geantwortet haben: »Ich bin die ungeeignetste aller Kreaturen, aber der Herr benützt, wie man weiß, die schwächsten Werkzeuge.« Diese beiden passten gut zusammen, denn Carlo Steeb sagt von sich, er sei »eine arme Null«. Am 2. November 1840 legten die ersten vier Schwestern ihre Gelübde ab. Luigia war 38 Jahre alt. Sie hat die neue Gemeinschaft nur wenige Jahre nach der offiziellen Bestätigung durch den Papst noch leiten können. Am 11. November 1855 starb sie 53jährig an Krebs. Der Hausarzt kommentierte: »Ihr Leben war nichts anderes als gelebtes Evangelium.

Der Gedenktag der seligen Luigia Poloni ist der 10. September.

In der katholischen Pfarrgemeinde von Tübingen war Carlo Steeb unbekannt. Erst 1948, als der Seligsprechungsprozess für ihn eröffnet wurde, wurde man auf ihn aufmerksam. Eine erste Abordnung von Tübingern besuchte 1950 sein Grab in Verona. Im gleichen Jahr eröffneten die Schwestern auch ihre erste deutsche Niederlassung in Berlin und 1952 kamen sie nach Tübingen und übernahmen das Studentenheim bei St. Michael.
Die Schwestern entschlossen sich auch, in der Heimat des Stifters ihrer Kongregation zu seiner Ehre etwas besonderes zu tun. Sie wollten in Lustnau ein Altersheim errichten, mit dem der Bau einer Kirche verbunden wurde, welche die Pfarrgemeinde und die Diözese errichtete.

Am 3. Juli 1954 wurde das Studentenwohnheim bei St. Michael durch Bischof Carl Josef Leiprecht eingeweiht. Zu diesem Fest war auch die Generaloberin der Sorelle della Misericordia aus Verona gekommen. Deshalb wurde am Abend dieses Tages der Grundstein für die Carlo-Steeb-Gedächtniskirche und das Altersheim der Schwestern in Lustnau gelegt.
Nach beinahe zwei Jahren gingen die Bauarbeiten dem Ende zu. Schließlich konnte die Kirche im 100. Todesjahr von Carlo Steeb geweiht werden.
Die neue Kirche sollte das Andenken Carlo Steebs in seiner Heimat erhalten und bekam deshalb den Namen Carlo-Steeb-Gedächtniskirche. Da man aber eine Kirche nur einem Heiligen weihen kann, konsekrierte der Bischof die neue Kirche auf den Namen des Apostels Petrus. Im Hochaltar wurde außer den vorgeschriebenen Reliquien von Märtyrern eine Reliquie des heiligen Zeno, ehemaliger Bischof und Stadtpatron von Verona eingeschlossen.