Unsere Geschichte

So entstand unsere Gemeinde in der Tübinger Nordstadt:
Teil I - von den Anfängen bis zur Errichtung der Pfarrei

Die Geschichte der Tübinger St. Paulus-Gemeinde beginnt mehr als zehn Jahre vor der eigentlichen Gründung der Pfarrei. Bereits im Flächennutzungsplan von 1961 wird das Areal, auf dem heute die Paulus-Kirche, Gemeindehaus und Kindergarten stehen, als Platz für ein Kirchenzentrum ausgewiesen. Die Katholische Gesamtkirchenge­meinde und das Bischöfliche Ordinariat gemeinsam erwerben das Grundstück. Drei Jahre später, am 3. Advent 1964, findet der erste katholische Gottesdienst auf der Wanne statt. Weil das Kirchengrundstück noch unbebaut ist, finden die Gottesdienste zunächst regelmäßig in der Wanne-Schule statt. Ab 1966 wird im evangelischen Kirchenraum gefeiert, einer inzwischen abgerissenen Baracke unterhalb der heutigen Albert-Schweitzer-Kirche. Abwechselnd zelebriert haben die Messen Priester von St. Johannes, vom Wilhelm­sstift und von der katholisch-theologischen Fakultät der Universität.

Erst kam der Kindergarten, dann die Kirche

1966  wird ein Wettbewerb für ein katholisches kirchliches und studentisches Zentrum auf der Wanne ausge­schrie­ben und Ende April entschieden. Architekt Werner Hahn aus Haigerloch gewinnt den 1. Preis.
Aus finanziellen Gründen wird im ersten Bauabschnitt nur der Kindergarten gebaut. Kosten: 800.000 Mark. Der Kindergarten wird im September 1968 eingeweiht und nach Helene von Hügel benannt, der Tübingen und die katholische Kirche viel zu verdanken hat (zur Namenspatronin siehe Infokasten). Für den späteren zweiten Bauab­schnitt „Kirche und Gemeindehaus“ steht Architekt Werner Hahn nicht mehr zur Verfügung. Des­halb werden die Archi­tekten Georg und Rudolf Ostermayer beauftragt, Werner Hahns Entwurf zu realisieren. Die ursprüngliche Idee, unterhalb des Gemeindehauses Studentenwohnheime zu errichten, wird nicht weiter verfolgt.

Im Juni 1970 stimmt der Pfarrgemeinderat von St. Johannes dem Projekt „Gemeindezentrum Wanne“ zu.
Zum 1. Januar 1971 wird durch Erlass des Bischöflichen Ordinariats die Seelsorgestelle Tübingen-Nordstadt errichtet, die zur Kirchengemeinde St. Johannes gehört. Herbert Gropper, damals Kaplan in Heidenheim, wird als Kurat für die 1200 bis 1500 Katholiken auf der Wanne und gleichzeitig als Tübinger Studentenpfarrer eingesetzt. Er feiert die Gottesdienste wei­terhin im evangelischen Kirchsaal auf der Wanne und später auch auf Waldhäuser-Ost.  

Gemeindemitglieder übernehmen von Anfang an Verantwortung

Zum Aufbau der Seelsorgestelle Tübingen-Nordstadt wird der „Wanne-Kreis“ gegründet. Dieser Vorläufer des Kirchenge­meinderats der sich bildenden Gemeinde, besteht aus Kurat Gropper, vier ge­wählten Pfarrgemeinde­räten von St. Johannes und nichtgewählten Kandidaten aus der Wanne-Fraktion. Mit der Besiedelung von Waldhäuser-Ost kommen ab 1972 drei Personen von dort dazu. Im April 1971  findet die erste eigene Erst­kom­munionfeier der Nordstadt-Kinder in St. Johannes statt.

Anfang 1971  bildet sich ein ökumenischer Kreis, der den Bau des katholischen Gemeindezentrums neu durch­denken will. Der Kreis hat die Absicht, aus diesem geplanten katholischen Gemeindezentrum ein gemeinsames ökumeni­sches Zentrum für die Christen der Nordstadt zu machen. Nach einigem Hin und Her kommt dieser Vor­schlag nicht zur Umsetzung. Ein gewichtiges Gegenargument ist die Tatsache, dass die Planungen für das katholi­sche Gemein­dezentrum zu diesem Zeitpunkt schon zu weit fortgeschritten sind.  Die Zeit scheint nicht reif dafür, obwohl  es von Anfang an ökumenische Zusammenarbeit gibt. Bereits im Oktober 1968 wird der „Wanne-Club“ für ältere katholische und evangelische Wanne-Bewohner gegründet. Im September 1972  erscheint das erste „Fliegende Blatt“, der ökumenische Gemeindebrief für Waldhäuser-Ost, als gemeinsame Aktion von Vikar Jürgen Quack  und Kurat Herbert Gropper. Der Aufbau der katholischen Pfarrei geht in guter Zusammen­arbeit mit den evangelischen Gemeinden auf der Wanne und Waldhäuser-Ost voran.

Anfang der 1970er Jahre ging alles Schlag auf Schlag

In der Sitzung des Pfarrgemeinderats von St. Johannes vom 16. Dezember 1971, an der eigens Weihbischof Anton Herre, Generalvikar Dr. Kaupp und Prälat Großmann teilnehmen, werden die Weichen für den Bau einer Kirche mit Gemeinde­zent­rum (aber ohne Pfarrhaus) gestellt. Am 14. August 1972 erteilt das Bischöfliche Ordinariat die Baugenehmigung für Kirche und Gemeinde­haus. Im Februar 1973 ist Baubeginn des 2,4 Millionen Mark teuren Projekts. Zwischenzeitlich stimmt der Bischof dem Vorschlag des Kirchenge­meinderats von St Johannes zu, die neue Kirche dem Apostel Paulus zu weihen. Am 28. Oktober 1973 legen Dekan Hugo Rathgeb und Stadtpfarrer Dr. Laupheimer den Grundstein für Kirche und Gemeindehaus. Am 6. Oktober 1974 erfolgt die Weihe der Paulus-Kirche durch den damaligen Weihbischof Dr. Georg Moser. Zahlreiche für Tübingen wichtige Priester sind dabei: Dekan Hugo Rathgeb, Stadtpfarrer Dr. Fridolin Laupheimer, Pfarrer Herbert Gropper, Prof. Dr. Wilhelm Korff und der damalige Spiritual am Priesterseminar Heinz G. Tiefenbacher, der später der zweite Pfarrer der Gemeinde werden sollte. Der Künstler Franz Bucher aus Rottweil entwarf Altar, Ambo und Weihwasserbecken aus Muschelkalk vom Taubertal sowie das Holzkreuz und gestaltet es unter Mitwirkung seines Bruders Willi. Dieser vollendete 2013 das Ensemble, indem er im Auftrag des Kirchengemeinderats aus demselben Muschelkalk ein Taufbecken entwarf und umsetzte.

In der zweiten Jahreshälfte 1974 können Planstellen besetzt werden: Sekretärin im Pfarrbüro, Mesner, Hausmeister und Hauswirtschafterin, Pastoralassistent. Die Paulaner sammeln eifrig Spenden zur Abzahlung der Bauschulden und für soziale Projekte. Neben den regelmäßigen Kollekten veranstalten sie Bazare und Bettelpredig­ten in auswärtigen Pfarrgemeinden. Jugendgruppen,  Ministranten, Familienkreise, Vorträge, Faschingsfeste beleben das neue Gemeindehaus.  Zum 1. November 1975 errichtet Bischof Dr. Georg Moser die Pfarrei St. Paulus und Herbert Gropper wird Pfarrverweser. Damit endet die Zugehörigkeit zur Mutter­-Gemeinde St. Johannes. Die bisherigen Wanne-Mitglieder des Kirchenge­meinderats von St. Johannes bilden einen Über­gangskirchenrat. Im März 1976 wird ein neuer Kirchengemeinderat gewählt. Und am 29. Juni 1976 wird Herbert Gropper von Bischof Dr. Georg Moser zum Pfarrer der katholischen Kirchen­gemeinde St. Paulus ernannt, die damals etwa 2500 Katholiken zählt. Seine Investitur findet drei Monate später durch Dekan Hugo Rathgeb und Stadtpfarrer Dr. Fridolin Laupheimer statt.

Mit dem Pastoral­besuch von Dekan Hugo Rathgeb am 12. Dezember 1976 endete eine fast zehnjährige Aufbauphase der St. Paulus-Kirchengemeinde mit einem feierlichem Gottesdienst. Die Entwicklung zu einer sehr lebendigen Gemeinde ging hingegen weiter. Über die Stationen dieser Entwicklung berichtet der zweite Teil der Gemeindegeschichte, an dem derzeit noch gearbeitet wird und der nach Fertigstellung ebenfalls an dieser Stelle zu lesen sein wird.

Dr. Rudolf Scherer    10.07.2014

Warum trägt der Kindergarten den Namen Helene von Hügel?

Das katholische Kinderhaus Helene von Hügel ist nicht die einzige Institution in Tübingen, die die Erinnerung an eine sehr sozial engagierte und wohltätige Familie wach hält. Aber nur der 1968 eingeweihte Kindergarten erinnert eigens an Frau von Hügel, der Tübingen und die katholische Kirche viel zu verdanken hat. Sie war es, die der Kirche nach dem Tod ihres Mannes beispielsweise jene markante Villa in der Neckarhalde vermacht hat, die erst von der katholische Hochschulgemeinde und bis vor wenigen Jahren vom Edith-Stein-Karmel mit Leben erfüllt wurden.

Aber schon während ihres Lebens wirkten Helene und ihr 1902 gestorbener Mann Karl Freiherr von Hügel sehr fortschrittlich und nachhaltig. So wurde der damalige Landgerichtsdirektor 1899 Vorstand des Gemeinnützigen Wohnungsvereins in Tübingen, der satzungsgemäß das Ziel verfolgte  „gesunde, kleinere Wohnungen, hauptsächlich für die Arbeiterklasse, Kleinhandwerker und niedere Beamte, möglichst billig und solid zu bauen“. Die Wohnungen sollten zunächst vermietet werden, konnten aber von den Bewohnern auch gekauft werden. In der heutigen Paulinenstraße entstanden die ersten Häuser mit 2- und 3-Zimmer-Wohnungen. Ganz in der Nähe erinnert die Hügelstraße und die Hügelschule an den Namen der adligen Familie und der Wohnungsverein ist heute als GWG immer noch aktiv. Helene von Hügel wurde schon zu Lebzeiten für ihre Hilfe für Arme und Notleidende in den 1766 gegründeten und 1767 von Papst Clemens XIII. anerkannten katholischen Elisabethenorden aufgenommen.