Geschichte der Gemeinde bis zur Jahrtausendwende

Offenheit und Vielfalt haben in der Gemeinde ebenso eine bis in die Anfänge der Gemeinde zurück reichende Tradition wie die Suche nach Heimat, Wärme und Orientierung.

St. Michael in der Tübinger Südstadt war nicht allein wegen ihrer Lage eine "Randgemeinde", sondern auch wegen ihrer dauernden Aufgabe, Katholikinnen und Katholiken, die in Tübingen neu ankamen, aufzunehmen und zu integrieren.

Soldaten und Arbeiter waren es am Anfang vor allem. So plante der Stuttgarter Architekt Ernst Barth zwischen 1935 und 1937 im Auftrag der Kirchengemeinde St. Johannes einen Kirchenneubau für die Tübinger Südstadt. Wegen des Bauverbots der Nationalsozialisten für alle nicht kriegswichtigen Gebäude kam es jedoch nicht mehr zum Baubeginn. Von den bereits gesammelten Spendengeldern konnte eine Orgel erworben werden. Nach Kriegsende wurden die Baupläne erneut aufgegriffen. Architekt Barth entwarf 1947 eine Kirche mit 350 Sitzplätzen für die damals rund 1700 Katholiken im Tübinger Süden.

Am 6. November 1949 weihte Bischof Dr. Carl Joseph Leiprecht die neu gebaute Kirche. Vikar Hugo Rathgeb betreute von St. Johannes aus die Gemeinde, die durch den Zuzug katholischer Vertriebener rasch wuchs.

Neben dem Kirchenbau war die Mithilfe bei der Beseitigung der Wohnungsnot eine zentrale Aufgabe in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts. So beschäftigte auch die Gemeinde St. Michael schon bald ein zweites Projekt: der Bau eines Wohnheims für Flüchtlingsstudenten auf der Nordseite der Kirche. Dazu wurde eine Baracke für einen Kindergarten errichtet. Das Studentenwohnheim wurde 1952 bezogen und im Jahr darauf vom Orden der Sorelle della Misericordia in Verona übernommen, der sich damit in Tübingen, in der Heimatstadt seines Gründers Carlo Steeb niederließ und im Lauf der Zeit zur zweiten Säule der Kirchengmeinde wurde. Als Carlo-Steeb-Heim führen die Schwestern das Heim weiter. 1954 errichteten sie einen Anbau zur Aufnahme einer Kindertagesstätte mit Kindergarten, Kindertagesheim und Kinderhort. 1964 wurde diese Einrichtung vergrößert.

1955 wurde St. Michael vom Expositurvikariat der Johanneskirche zur ständigen Pfarrverweserei erhoben und damit eine selbständige Kirchengemeinde. Zur Gemeinde gehören auch die Katholiken von Derendingen.

In den ersten zehn Jahren ihres Bestehens war die Zahl der Mitglieder der Kirchengemeinde auf das Doppelte angewachsen. Damit erwies sich der Kirchenraum sehr schnell als zu klein, zumal auch die französische Garnison ihren Sonntagsgottesdienst dort feierte.
Architekt Helmut Basten aus Tübingen wurde mit der Planung einer Erweiterung beauftragt: das südliche Seitenschiff wurde angebaut.

Durch den Bau der Pfarrerwohnung und eines neuen Gemeindezentrums zwischen der Kirche und dem Carlo-Steeb-Heim in den Jahren 1965 und 1966 und durch das zunehmende Engagement von Laien wurden viele neue Möglichkeiten gemeindlicher Aktivitäten geschaffen:
So fand am 7. November 1967 erstmals ein Altennachmittag statt. Aus dieser von Hedwig Rathgeb, der Schwester des Pfarrers, und Eleonore Fehrenbacher, die als Seelsorgehelferin bis 1969 in der Gemeinde tätig war, getragenen Initiative entwickelte sich später der heute noch bestehende "Club St. Michael".

1968 wurde erstmals ein Kirchengemeinderat gewählt, der als Laiengremium über alle Angelegenheiten der Gemeinde entscheidet, soweit nicht der Pfarrer kraft kirchlichen Rechts unmittelbar zuständig ist. Er tritt die Nachfolge des früheren Kirchenstiftungsrates an.

Ein erster Familienkreis konstituierte sich 1973 dank einer Initiative von Schwester Carlagnese. Fünf weitere Familienkreise folgten im Lauf der Jahre. Mit einer Ausnahme blieben alle bestehen, darunter nach wie vor der Familienkreis I. Zusammen mit Sr. Carlagnese begründete dieser Kreis 1973 die Tradition des monatlichen Familiengottesdienstes. Die Familienkreise haben die Feste der Gemeinde wesentlich mitgetragen.

Seit 1976 trägt die Caritas-Konferenz den Besuchsdienst älterer, kranker oder auch neu zugezogener Gemeindemitglieder. Die Initiative zur Gründung der Konferenz ging von Maria Vetter aus.

Im Herbst 1983 konnte erstmals die Stelle eines Pastoralreferenten besetzt werden: Dr. Reinhard Pfau nahm am 1. September seinen Dienst auf.
Seit dem Mai 1987 erscheint das Mitteilungsblatt "St. Michael aktuell", das seitdem in ca. sieben Ausgaben jährlich an die etwa 2500 katholischen Haushalte in der Gemeinde verteilt wird.

Veränderungen im liturgischen Leben

Am ersten Advent 1967 wurde infolge der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils die Vorabendmesse am Samstag eingeführt.
Seit 1976 wird das "Gotteslob" als neues Gesangbuch benützt. 1984 wurde auf Initiative von Schwester Davidica begonnen, parallel zum Hauptgottesdienst einen Gottesdienst für Kleinkinder im Gemeindesaal zu feiern.
Die liturgischen Orte in der Kirche wurden in der umfassenden Innen- und Außenrenovierung 1987/88 nach den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils neu gestaltet; während der Renovierungszeit feierte die Gemeinde ihre Gottesdienste in der evangelischen Eberhardskirche.

Seit Juni 1990 werden in den Sonntagsgottesdiensten alle drei Schriftlesungen mit Antwortpsalm und Halleluja-Rufen vorgetragen.
Die Feier der Osternacht wurde 1994 auf den frühen Sonntagmorgen verlegt.

Von Anfang an Offenheit für die Ökumene

Eine wichtige Zäsur im Weg des Miteinanders und Zueinanders zur Eberhardsgemeinde war ein Informationsabend am 28. Mai 1968. Seit 1974 feiern wir regelmäßig ökumenische Gottesdienste. 1996 wurde erstmals der Gottesdienst am Palmsonntag mit einer ökumenischen Palmprozession vom Sternplatz aus begonnen und führte über die Eberhardskirche zu St. Michael.
Im Begegnungscafe treffen sich Senioren aus beiden Gemeinden mit Spätaussiedlern.
Mit der Umstrukturierung und Ausweitung der Südstadt reift der Beschluß, 1997 im Projekt 14 des Hindenburgareals eine gemeinsame "Kirch am Eck" zu bauen, um den vielen neuen Bewohnern des einstigen militärischen Gebiets einen Zugang zum gemeindlichen und kirchlichen Leben anzubieten