Immer wieder auch Quelle für Kreativität
In meiner Arbeit als Unternehmer*innen-Berater ist es eine typische Auftragssituation. Zwei Abteilungen haben einen Konflikt, der schon eine Weile andauert. Jetzt wird externer Rat dazu an Bord geholt. In meinen Vorgesprächen mit den einzelnen Beteiligten wird häufig deutlich, dass alle doch nur das Beste wollen – das Beste aus ihrer spezifischen Perspektive. Zur Konfliktschlichtung wird in der Regel ein gemeinsamer Workshop durchgeführt. Ab jetzt wird es richtig spannend. Wie kann mit der festgefahrenen Kommunikation, dem aufgestauten Ärger und der erlebten Frustration so umgegangen werden, dass wieder der Blick auf das gemeinsame Ziel möglich wird? Das gemeinsame Ziel, das durch den Druck innerhalb der einzelnen Abteilung in den Hintergrund gedrängt wurde. Wie kann wieder eine konstruktive Nähe entstehen?
Zu Beginn des Konfliktworkshops ist die Anspannung auf den Gesichtern deutlich zu sehen. Was wird jetzt wohl passieren? Wie kann ich vermeiden, dass ich mit meinen Vorschlägen unterliege? Traut man uns so wenig zu, dass wir Hilfe von außen nötig haben? Wie soll es für diese verfahrene Situation überhaupt eine Lösung geben? Und gleichzeitig ist auch Sehnsucht zu spüren: Hoffentlich kommen wir aus diesem Teufelskreis an gegenseitigen Beschuldigungen heraus. Die Erfahrung hat mir gezeigt, dass wir nur dann über Konflikte produktiv miteinander ins Gespräch kommen können, wenn die Beteiligten sich zum einen aktiv einbringen und zum anderen die Wahrnehmung nicht nur auf den Konflikt verengt ist. Deshalb benutze ich zum Einstieg in den Workshop häufig das Bild einer brennenden Kerze; und wenn es möglich ist, stelle ich die Kerze tatsächlich in die Mitte des Besprechungstisches oder des Workshop-Raumes. „Unser Gespräch während des Konfliktworkshops ist wie die zarte Flamme dieser Kerze. Wir haben es in der Hand, diese Flamme zu nähren oder sie zum Verlöschen zu bringen. Mein Vorschlag: Lassen Sie uns darauf achten, was die Flamme nährt. Lassen Sie uns darauf verzichten, was die Flamme gefährdet. Und: Lassen Sie uns für Überraschungen und Überraschendes offen sein. Die Lösung kommt häufig nicht von A oder B, sondern von C, D… oder noch ganz unerwarteten Seiten“. Die zweite Vorbemerkung zu Workshop-Beginn: „Dankeschön, dass wir uns hier treffen können. Dass alle bereit waren zu kommen und sich für die gute Zusammenarbeit zu engagieren. Jetzt gibt es offensichtlich Punkte die schwierig sind. Und gleichzeitig gibt es Vieles, das in der Zusammenarbeit gut funktioniert, sonst wären Sie in der Zusammenarbeit nicht so weit gekommen. Deshalb schlage für die Einstiegsrunde die Frage vor: Was funktioniert zwischen unseren Abteillungen? Auf was können wir bauen? Was macht mir in der Zusammenarbeit Freude? Danach werden wir dann auf Ihr Konfliktthema eingehen“. „Ruhe für echte Dialoge“, so lautete die Überschrift der Kolumne „Wort zum Sonntag“ im Schwäbischen Tagblatt vom 22. Januar 2022 unserer Gemeindereferentin Angela Beck. Genau um diese Ruhe für einen echten Dialog geht es als Grundlage für die Konfliktlösung. Nachdem diese Ruhe nach Einstieg eingekehrt ist, wird in zwei Schritten vorgegangen, um das gegenseitige Zuhören bzw. das bewusste Hinhören auf das Gegenüber zu unterstützen.
1. Ich versuche die Perspektive des/der anderen zu verstehen.
Verstehen heißt nicht, sie automatisch auch gut zu finden. Verstehen heißt nur, eine gemeinsame Wahrnehmung der Situation zu erarbeiten. Die Logik meines Gegenübers zu verstehen. Zu erfahren, was das mittel- oder langfristige Ziel ihrer Bemühungen ist. Die positive Absicht ihrer Anstrengungen zu erfahren und ggf. wertschätzen zu können. Genau darauf sollten die Nachfragen der Teilnehmer*innen und die Workshop-Moderation zielen.
2. Erst das Verstehen, dann die gemeinsame Bewertung.
Erfahrungsgemäß überstrahlt der Konflikt zu Workshop-Beginn alles. Um diese Einseitigkeit der Wahrnehmung zu relativieren, bewährt es sich, die Zusammenarbeit möglichst breit in den Blick zu nehmen. Dabei haben sich Fragen bewährt wie: Worin stimmen wir überein? Was trennt uns? Was kann in der Zusammenarbeit so bleiben, wie es ist? Was sollten wir angehen, um die Zusammenarbeit zu verbessern? Ziel der Bewertung ist es, die Verbindung zueinander auf einer tieferen Ebene wahrzunehmen und zu spüren. Dabei entsteht häufig die Erkenntnis – ähnlich wie in vielen anderen Beziehungen auch – dass nicht alles, was als trennend empfunden wird, auch bearbeitet werden muss. Manches kann auch einfach so bleiben, da die gemeinsame Zielsetzung davon nicht entscheidend berührt wird. Der Schwerpunkt im Workshop wird auf die Punkte, die der gemeinsamen Aufgabe, dem Ziel der Firma bzw. Organisation im Wege stehen. In dieser Verbundenheit auf einer tieferen Sinnebene (in der Sprache der Unternehmensberatung dem „Purpose“, dem Sinn des Unternehmens) und im Wissen, dass nicht jede Lösungsidee eine hundertprozentige Lösung zu sein braucht (im betrieblichen Kontext ist es üblich, Lösungsansätze befristet zu erproben, bevor sie endgültig umgesetzt werden), entstehen recht häufig unerwartete und überraschende Lösungsansätze. Häufig verbunden mit Effizienzgewinnen, die die Arbeit für alle Beteiligten erleichtern. Mit Blick auf Pfingsten könnte man diese überraschenden Lösungsansätze auch als Wirken des Heiligen Geistes verstehen. Pfingsten inspiriert, die Vielzahl an Sprachen als Vielzahl der Perspektiven zu sehen. Und diese Vielzahl als alltägliches Phänomen zu akzeptieren. Es lohnt sich, alles dafür zu tun, um diese Vielzahl zum Ausdruck zu bringen und sie auch auszuhalten zu können. Vielleicht ist das Aushalten die eigentliche Herausforderung. Die Techniken der Kommunikation für Konfliktschlichtungen sind vorhanden. Doch wieviel Mut habe ich, auf die Wirkung des Heiligen Geistes zu vertrauen?
Stephan Teuber, Unternehmer*innen-Berater, KGR in St. Johannes
Und trotzdem drin.
Die Eheleute Willibald Hobmair und Helmut Mezger berichten als schwules Paar über ihre Erfahrungen in der Kirche.
Verstellen, verleugnen, sich verstecken müssen, weil man mit einer nicht „normalen“ sexuellen Orientierung ausgestattet wurde. Eine Segnung einer homosexuellen Verbindung ist verboten, weil sie nicht dem Schöpfungsplan Gottes entspricht; so zumindest die Glaubenskongregation in Rom. Ist das nicht eine hochgradig gestörte zwischenmenschliche Kommunikation in unserer Gesellschaft, allem voran in der katholischen Kirche? Der andere wird nicht in seinem tatsächlichen Sein, in seiner Person mit allen seinen Facetten angenommen. Mangelnde Realitätswahrnehmung der Person des Nächsten, und Ablehnung der Akzeptanz von sexuellem Anderssein. Es wird als Perversion, bestenfalls als Krankheit eingestuft. Das war lange in unserer Kultur die Einstellung zur homosexuellen Orientierung. Ächtung, Ausgrenzung, ja sogar Strafbarkeit bis zum Jahre 1973 war das Los der Betroffenen. In unserem Lande regelte dies der § 175 des Strafgesetzbuches. Nach diesem Paragraphen wurden 140.000 Männer verurteilt. 1969 und 1973 wurde der §175 „reformiert“, seitdem wurden sexuelle Handlungen unter gleichgeschlechtlichen Erwachsenen nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Erst 1994 wurde der § 175 in der Bundesrepublik ersatzlos gestrichen. Gerade mal eine Generation zurückliegend. Aus dem Diagnoseschlüssel der Krankheiten der WHO wurde die Homosexualität erst am 17. Mai 1990 gestrichen.
Wieviel Unterdrückung, Leid, Ächtung und Ausgestoßen-Sein mussten die von Gott „unglücklich“ Ausgestatteten ertragen. Geheimnistuerei war in der Regel das Los der Betroffenen. Auch wir beide haben diese Ächtung bitter erfahren müssen: Verstellung im Beruf, Verleugnung selbst vor den eigenen Angehörigen, Überfallen-Werden von aggressiven jugendlichen Schwulenhassern auf einer mutigen einschlägigen Veranstaltung des Asta der Universität Tübingen Anfang der 80er Jahre. Kleinere Verletzungen waren an der Tagesordnung. Ein kleines Erlebnis sei hier erzählt: Als ich den kleinen Sohn meiner Schwester auf dem Arm hatte, sagte ein vorbeigehender Nachbar in hämischem Ton: „Na, wie habt ihr das gemacht?“ Andererseits hatte und hat man selbst zu kämpfen mit der eigenen Einstellung, mit dem eigenen Über-Ich, die Anlage, die man an sich selbst als pervers, als „unnormal“ irgendwann entdeckt hat, zu akzeptieren. Man weiß inzwischen, dass jeder Mensch eine bisexuelle Anlage hat. Die herkömmliche Verarbeitungsweise dieser Tatsache, auch gleichgeschlechtliche Neigungen zu haben, geschieht häufig entweder durch Selbstverleugnung der Entdeckung oder durch Abwehr in Form von Aggressivität gegenüber Homosexuellen. Dies ist auch heute noch stärker ausgeprägt als wir es wahrhaben wollen, erstaunlicherweise insbesondere auch unter den heutigen Jugendlichen. Die offizielle katholische Kirche hat die Ächtung der sexuell anders Orientierten stark mitgetragen, ja sogar theologisch begründet und moraltheologisch untermauert. Es widerspreche dem göttlichen Heilsplan, es ist eine Verirrung, ja gleichgeschlechtliche Liebe ist Sünde. Dies wurde und wird erbarmungslos in der Glaubensgemeinschaft in dieser Weise verfolgt, Betroffene wurden von kirchlichen Ämtern und Gemeinschaften wie Priestertum, Ordensgemeinschaften, ausgeschlossen, ebenso kirchliche Mitarbeiter, Angestellte in Krankenhäusern und Altersheimen.
Es ist Zeit für eine Wende.
Die outinchurch-Bewegung hat einen Stein ins Rollen gebracht, der längst überfällig war. Der Film in der ARD zeigte die tatsächliche Situation eindrucksvoll, ehrlich und offen. Denen, die sich outeten, sei große Anerkennung ausgesprochen. Es bleibt zu hoffen, dass auch die offizielle Kirche dazulernt. Erste, allerdings zaghafte Zeichen von einigen Bischöfen könnten ermutigen. Wie tröstlich ist es, dass es in der Kirche Horte gibt, die sich gegen die offizielle Kirche stellen und es riskieren, dagegen auf zu stehen. Es gibt eine Umgebung, in der Homosexualität nicht als Anderssein wahrgenommen wird, sondern als Selbstverständlichkeit akzeptiert wird, und in der homosexuelle Paare entgegen dem päpstlichen Verbot gesegnet werden. Wir dürfen in der Gemeinde St. Petrus erfahren, was Jesus seinen Brüdern aufgetragen hat: „Liebet einander, wie ich euch geliebt!“ Bedingungslos, vorbehaltlos. Diesen Auftrag hat Jesus am Gründonnerstag erteilt und ihn an Pfingsten in der Erleuchtung durch den heiligen Geist in allen Sprachen als Sendung in die Welt geboten. Die bedingungslose Liebe ist die eigentliche Aufgabe von Christen. In krassem Gegensatz zur Haltung der offiziellen Kirche zeichnet die Bibel Jesus als Engagierten für das damals „Nicht-Normale“, für die Schwachen und Kranken. Er hat sich gerade der Dirnen, Bettler und Zöllner angenommen, also der verachteten Gesellschafts-Schichten. Die Aufforderung Jesu, „Liebe deinen Nächsten“, gilt bedingungslos für jeden Menschen in seiner ihm eigenen Art. Es ist Zeit, die Ächtung Andersartiger aufzugeben und echtes Christ-Sein zu leben. Es ist schön, dass es Horte gibt, wo dies tatsächlich gelebt wird. Wir danken der Kirchengemeinde St. Petrus, gratulieren zu ihrer Standfestigkeit und wünschen Erfolg im weiteren Kampf gegen die heutigen Pharisäer.
als Frau
In den letzten Wochen und Monaten sind bei mir einige Anfragen eingetrudelt für Vorträge, Positionspapiere, Artikel zu Themen im Umfeld des Synodalen Wegs – Weihe, Partizipation, Gleichberechtigung… Dazu kamen viele Gespräche mit Freund:innen und Familie, Kolleg:innen und Student:innen. Angefragt war ich als Theologin, Hochschulseelsorgerin, katholische Christin, aber vor allem als Frau in dieser Kirche und als Frau in Leitungsfunktion. Nun gut, schließlich habe ich damit (noch) einen gewissen Seltenheitswert. Eigentlich schön, so gefragt zu werden und zu sein. Gleichzeitig merke ich, dass ich tief durchatme bei diesen Fragen und Themen, auch bei der Anfrage für diesen Artikel. Weil sie mich ein wenig müde machen und ich mir wünsche, dass wir darüber irgendwann, möglichst bald, nicht mehr reden müssen, weil es einfach selbstverständlich ist, dass Frauen in der katholischen Kirche gleichberechtigt sind.
Mir ist klar, dass ich dafür wohl noch einen längeren Atem brauche. Und dass die Gleichberechtigung von Frauen und das Aufbrechen patriarchaler Strukturen nicht nur kirchliche Probleme sind. Doch wir als Kirche könnten auch gemeinsam daran arbeiten, einen Gegenentwurf zum patriarchalen Mainstream in Welt und Gesellschaft zu entwickeln. Wir könnten darauf hinleben, dass Frauen sich ihre Aufgabe und Rolle frei und selbstbestimmt wählen können und nicht länger festgeschrieben werden auf die vermeintlich klassischen Rollenbilder wie Mutter oder Jungfrau. Das bedeutet, dass wir Prozesse und Entwicklungen auf struktureller und individueller Ebene anstoßen und begleiten. Denn es ist eine Sache, dass ich als Frau eine Leitungsposition innehabe, eine andere, dass ich diese Aufgabe und Rolle auch lebe und fülle und darin anerkannt und akzeptiert werde. Das bedeutet immer wieder reflektieren und klären und verstehen – für mich selbst und mit anderen. Manchmal erfahre ich das als Bereicherung für das Miteinander, manchmal ist es einfach nur ermüdend. Und manchmal ist es auch gut, nicht alle Kämpfe zu kämpfen. Frauen in Leitung in der katholischen Kirche ermöglichen eine neue Erfahrung und damit auch eine Veränderung von Gewohntem – das kann für alle Beteiligten ganz schön anstrengend sein. Lang geprägte Rollenerwartungen halten sich eben hartnäckig, das ist meine Erfahrung, innen und außen, in Systemen und bei Individuen. Und ich bin immer wieder überrascht, was ich da auch bei mir noch entdecken und auflösen kann. Was mich dabei ermutigt und inspiriert, sind die Aufstände, die Bewegungen in der katholischen Kirche – Maria 2.0, Synodaler Weg, outinchurch… Auch die Arbeit als Sprecherin der Frauenkonferenz der Katholischen Hochschulpastoral öffnet mir Räume und Kreise, in denen sich Frauen austauschen und bestärken. Natürlich die Arbeit in der KHG selbst, in der ich Aufbruch und Bewegung, Austausch und Miteinander erlebe. Und als Frau seit drei Jahren Leitung gestalte und lebe und darin Anerkennung und Akzeptanz erfahre. Nun bin ich seit Anfang Mai ja gar nicht mehr allein in meiner Leitungsfunktion, Wolfgang Metz und ich leiten die KHG nun gemeinsam mit gleichen Stellenanteilen. Als Leitungsteam, als Frau und Mann, als Priester und Pastoralreferentin, als bisher in Leitungsfunktion und bisher noch nicht in Leitungsfunktion begegnen auch uns wieder Rollenbilder und -erwartungen – die eigenen und fremde. Was da hilft, ist Reden und Zuhören, Reflektieren und im Austausch bleiben. Einfach miteinander in Verbindung sein.
Kerstin Schelkle, Hochschulseelsorgerin der KHG Tübingen