Geburt

Die Geburt erlebt jeder Mensch ein Mal. 
Immer schon und überall auf der Erde unter unterschiedlichen Umständen, gebären Frauen. Es ist von der Natur her ein individuelles und doch universelles Geschehen, das nach bewährter Choreografie abläuft. Bestimmt durch die Gene und Hormone der Plazenta, genährt durch den Körper der Mutter entwickelt sich ein Menschlein bis es reif wird für den Übergang von allumfassender Geborgenheit in die Welt, in der es selber atmen, Nahrung aufnehmen und verdauen, Wärme halten und sich in Schwerkraft bewegen muss. Die Plazenta ist da ein wesentliches Element, bildet lange Zeit Hormone zum Erhalt der Schwangerschaft. Wenn sie das nicht mehr vermag, kommen andere Hormone in Gang, die durch Senkwehen das haltende Gewebe der Gebärmutter und im Becken, dann durch Reifungswehen den Beckenboden und den Muttermund erweichen und lockern. Der Körper der Schwangeren hat eineinhalb Liter mehr Blut aufgebaut und sich so auf die Geburt vorbereitet. Diese beginnt mit  Eröffnungswehen, mit denen sich der Gebärmutterhals und Muttermund entfalten. Im Unterschied zu den Senkwehen, die in den Wochen zuvor, und den Reifungswehen, die in den Tagen zuvor zu Gange waren, sind sie in regelmäßigen, mindestens 5-minütigen Abständen, kraftvoll und von fast einminütiger Dauer. Die Gebärende muss innehalten, tief atmen. Der Muttermund muss sich auf ca. 10 cm vollständig weiten.

Diese schweren Stunden einer Frau können 10 Stunden aber auch länger oder kürzer dauern. Während der letzten 2 cm werden die Wehen sehr kraftvoll und kommen in kurzen Abständen. Jetzt will das Kind tiefer treten, zieht sein Kinn auf die Brust und dreht sich. Es passt sich durch diese Bewegung den Platzverhältnissen in Mutter‘s Becken an und schiebt, wenn nötig, die Schädelplatten übereinander. Die Gebärende bewegt sich unter den Wehen impulsiv, nimmt Haltungen ein, die dem Kind helfen. Jetzt hat jede Frau das Gefühl am Ende ihrer Kräfte zu sein – ”Ich kann nicht mehr”. Aber zum Glück entfesseln sich nun ihre ungeahnten Kräfte! Das Kind drückt zunehmend von innen auf Steißbein und Darm, so dass Pressdranggefühle bei der Kreißenden unvermeidlich werden. Das Ziel ist nahe! Die Hebamme vergewissert durch Untersuchung, dass die Frau jetzt aktiv und mit aller Kraft das Baby durch den sich dehnenden Damm und die Vulva schieben kann. Das stark gebeugte Köpfchen dreht sich weiter und streckt sich nun wieder. Die Hebamme ermutigt die Gebärende zu schieben oder den Pressdrang noch zu veratmen, damit sich der Beckenboden mitdehnen kann. Ist das Köpfchen geboren, dreht sich das Kind wieder, um auch die Schultern über den Damm der Mutter zu bringen. Ist Kopf und Schulter geboren, gleitet das Menschlein vollends sekundenschnell und darf freudig erleichtert in Mutters Armen, begrüßt von seinem Vater, ankommen und ausruhen. Nach den oft als schmerzvoll empfundenen Anstrengungen ist auch die Erleichterung bei der Mutter groß. Das Neugeborene beginnt nach einigen Minuten intensiven Fühlens, Riechens, Liebäugelns zu schmatzen, Köpfchen zu drehen und zu robben. Es möchte instinktiv an die Brust und beginnt zu saugen. Dies wiederum verstärkt, wunderbarer Weise, die Nachwehen, mit denen die Gebärmutter die Plazenta ablöst und diese mit nochmaligem Mitschieben von der Mutter geboren wird. Herzlich zur jetzt vollendeten Geburt gratulieren kann die Hebamme dann, wenn sich die Plazenta vollständig zeigt.

Geburt und Schwangerschaft sind normalerweise ein gesundes Geschehen und nur im Fall von  pathologischen Veränderungen MUSS ärztliche Hilfe aufgesucht werden. In Deutschland ist es recht üblich, dass Frauen ärztliche Vorsorge und zur Geburt in die Klinik möchten. Aber sie dürfen auch „in guter Hoffnung“ Hebammenbegleitung wählen. Auf jeden Fall sei allen Frauen und Kindern Glück, Gesundheit und Liebe gewünscht! Oxytocin, das Wehenhormon, wird auch das „Liebeshormon“ genannt und wirkt in ruhiger, liebevoller Umgebung am allerbesten. In diesem Sinne – schöne Geburtstage! 

Ulrike Herderich-Mollenkopf, freiberufliche Hebamme

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Leben

Ewigkeit für Ahnungsvolle

Die Residenz in München. Dort gibt es neben unzähligen Repräsentationszimmer unter anderem auch ein bestimmtes Zimmer für die Darstellung und Würdigung der Religion, eines für die Kirche und eines für die Ewigkeit. Und was zeigt das zentrale Deckengemälde in Letzterem? Relativ wenig. Dort prangert nämlich nur ein großes, schwarzes Nichts! Vielleicht soll dies ein Sinnbild für die Ewigkeit sein? Nein, ist es leider nicht!  In Wirklichkeit ist es ein Sinnbild für die Vergänglichkeit, weil das ursprüngliche Deckengemälde im Krieg zerstört wurde. Tja, die Ewigkeit ist auch nicht mehr das, was sie mal war…

Unfreiwillig zeigt dieser Raum, dass unsere Welt und wir mit ihr der Veränderung und Vergänglichkeit und nicht der Beständigkeit und Ewigkeit unterworfen sind. Das Leben ist Veränderung. Aber Veränderungen gehören in der Regel leider nicht zu unseren Lieblingsbeschäftigungen. Manchmal tun wir so, als wollten wir uns verändern, aber in Wirklichkeit sind große Veränderungen für viele nur schwer zu ertragen. In einer Gegenwart, in der unglaublich Vieles möglich zu sein scheint, in der Flexibilität großgeschrieben wird und in kurzer Zeit fast überall in der Welt umhergereist werden kann, haben uns die letzten fünf Jahre eines Besseren belehrt. Es geht eben nicht immer höher, schneller, weiter und das in Ewigkeit. Eigentlich wissen wir, dass unser Leben seine Grenzen hat. Wir möchten uns nur nicht so oft damit beschäftigen und unseren Kopf darüber zerbrechen. Unsere Möglichkeiten scheinen gegenwärtig begrenzter und vergänglicher, als dies noch vor zehn Jahren war. Und doch gab und gibt es, glaube ich, in uns weiterhin eine tiefe Sehnsucht nach Beständigkeit und Ewigkeit, nach etwas, was sich nicht verändern soll, nicht verändern darf und einfach bleibt. 

Manche Menschen übertragen nun dieses Gefühl auf unsere Kirche und meinen die Institution selbst muss nicht nur ein Teil dieser sehnsuchtsvoll erhofften Ewigkeit darstellen, sondern sogar ein Teil dieser sein. Vielleicht kommt das daher, dass dieses ewige Sehnen tief in und mit unserer Glaubens-DNA verwoben ist? Denn es scheint nicht von ungefähr in vielen unserer christlichen Zeichen, Symbole und Worte auf. Der Altar in der Kirche z.B., der nicht zufällig aus Stein ist, denn er soll Festigkeit und Beständigkeit darstellen und darin Christus selbst repräsentieren. Oder auch die Osterkerze. Traditionell ist diese mit dem Alpha und Omega bezeichnet und in der Osternacht wird dort ganz bewusst gebetet, dass Christus dieses ist, Alpha und Omega, Anfang und Ende, also alles umspannend und somit in Ewigkeit.

Doch gerade hier zeigt sich die Herausforderung, aber auch der Kern unseres Glaubens und Hoffens. Wir glauben, dass Gott, der ewig ist, sich auf seinem Ewigsein nicht ausgeruht hat, sondern sich in Christus auf unsere Endlichkeit, Begrenztheit und Vergänglichkeit eingelassen hat. Geboren wurde, gelebt hat und gestorben ist. Und natürlich nicht nur das, sondern eben, dass dann gerade die Ewigkeit in und durch die Auferstehung wieder ins Spiel kam und genau dies für uns als gläubige Christen etwas verändert hat. Diese Veränderung versuchen wir in all unseren Zeichen, Symbolen und Worten auszudrücken, diese auszudeuten und diese auch erfahrbar zu machen. Glaube ist nichts anderes als die Ahnung davon, dass es dieses Ewige gibt und dieses auch personal in Christus erfahrbar ist.

Ich glaube, manchmal vergessen wir, dass die Zeichen, Symbole und Worte keine Zauberformeln sind, um diese Ewigkeit herzustellen, sondern, dass dies einfach nur Fingerzeige daraufhin sind. Und hier sind wir auch wieder mitten darin, was Aufgabe der Kirche ist. Den Finger in die Wunde zu legen, dass die Welt vergänglich ist und mit dem gleichen Finger auf Gott hinzuweisen. Davon zu erzählen und es zu feiern und zu zeigen, dass es da ein „mehr“ gibt. Nicht von uns produzierbar oder leistbar. Das können wir und das müssen wir auch nicht. Nichts ist für die Ewigkeit. Weder die Altäre, die wir bauen, noch die Worte, die wir sprechen oder die Kirche, in der wir glauben und hoffen und auch nicht mal die Deckengemälde, die wir extra für die Ewigkeit auserkoren und ausgemalt haben. Was wir haben, ist nur eine ewige Ahnung inmitten aller Veränderung. Nicht viel, aber ich finde, das ist mehr als genug. Heute und in Ewigkeit. Amen!

Wolfgang Metz, Hochschulseelsorger

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Sterben

Nach dem Sterben wartet noch eine Überraschung
Ewig leben? Nichts in unserem Leben ist so sicher wie die Tatsache, dass wir sterben müssen. Dennoch neigen wir Menschen dazu, dieses Thema zu verdrängen. Unser Leben ist (oft) zu schön, als dass wir uns mit unserem Sterben beschäftigen wollten. 

Wenn wir es aber tun, dann haben wir doch eine Vorstellung, wie es sein sollte: Zuhause wollen wir sterben, am besten im Schlaf, ohne Schmerzen, und ohne lange Krankheitszeit. In Wirklichkeit aber sterben die meisten Menschen im Krankenhaus und in Pflegeeinrichtungen und nur etwa jede bzw. jeder vierte zuhause. Und nur fünf Prozent sterben plötzlich und unerwartet. Eine zunehmende Anzahl der Menschen stirbt in hohem Alter und nicht selten nach einer langen Zeit des körperlichen und geistigen Abbaus im Rahmen einer Demenzerkrankung. 

Wir können uns das Wie des Sterbens nicht aussuchen. Allgemein gilt heute, was der Theologe Professor Andreas Heller sagt: „Wir leben länger und wir sterben länger. Und obwohl wir biologisch länger leben, ist unser Leben um eine Ewigkeit kürzer geworden.“ Damit ist einerseits der technische Fortschritt der modernen Medizin angesprochen, der nicht selten zu einer Verlängerung des Sterbens beiträgt, und andererseits die Säkularisierung unserer Gesellschaft, die kein Weiterleben nach dem Tod, wie auch immer es aussehen mag, kennt.

Leben und Sterben in vertrauter Umgebung
Im Rahmen des Besuchsdienstes der Johannesgemeinde bin ich in engen Kontakt mit dem Gemeindemitglied Hans Bold gekommen. Angesichts einer Krebsoperation hatte er bereits vor zwölf Jahren eine Patientenverfügung erstellt und einer vertrauten Person eine Generalvollmacht gegeben. Zehn Jahre später, an seinem 90. Geburtstag, sprach er in einer Rede an seine Gäste über die nun begrenzte Lebenszeit – mit der Hoffnung, dass ihm noch ein paar gute Jahre bleiben würden. Dabei zitierte er den Theologen Jürgen Moltmann, dass nach seinem Sterben noch eine Überraschung auf ihn warte.  In den letzten Jahren trat eine zunehmende dementielle Entwicklung ein. Störungen des Gedächtnisses und der Orientierung und Angst vor dem Alleinsein erforderten einen Abschied von der vertrauten häuslichen Umgebung. Hans Bold fand ein neues Zuhause in einer Pflegewohngemeinschaft. Trotz körperlicher Einschränkungen war ihm die Teilnahme am Sonntagsgottesdienst in der Johanneskirche bis zuletzt sehr wichtig.  Als Ende des vergangenen Jahres eine zunehmende körperliche Schwäche auftrat und er nichts mehr essen und trinken wollte, war allen Beteiligten klar, dass der Sterbevorgang begonnen hatte. Klar war auch: Hans Bold sollte in der Pflegewohngemeinschaft bleiben und so gut wie möglich menschlich und palliativmedizinisch begleitet werden. Durch kleine Dosen Morphin konnten Schmerzen und die Unruhe gut gelindert werden. In den letzten Tagen war Hans Bold bewusstlos. Am 10. Januar dieses Jahres ist Hans Bold im Alter von fast 95 Jahren verstorben.

Worauf es letztlich ankommt
Dass alleinstehende Menschen im häuslichen Umfeld bleiben und versterben, ist nur bei einem guten Hilfenetz möglich. Einfacher ist es vielfach für betagte Menschen, wenn ihre Familien verständnisvoll ihre Wünsche wahrnehmen. Dann kann auch bei schwerer Erkrankung und Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen wie z.B. künstliche Ernährung eine Entlassung aus dem Krankenhaus nach Hause zum Sterben organisiert werden, unter Einbezug von palliativmedizinisch geschulten Pflegekräften und Ärztinnen. Wenn Menschen mit schwerer Erkrankung trotz intensiver medizinischer Maßnahmen in ein Endstadium kommen, dann ist ihre Reaktion darauf sehr unterschiedlich: Verdrängung und ein oft unrealistisches Hoffen auf Heilung auf der einen Seite, intensive Auseinandersetzung, und schließlich ein Annehmen des unausweichlichen Schicksals auf der anderen Seite. 

Wichtig ist zu wissen, dass die Palliativmedizin in fast allen Fällen schweres Leiden wie Schmerzen, Atemnot und Ängste lindern kann. Schwerkranke und Sterbende, die gelernt haben, ihren Weg zu akzeptieren, können uns „noch Gesunden“ lehren, wie wertvoll jeder Tag ist und worauf es wirklich ankommt. Liebende Beziehungen, Versöhnung, das Wahrnehmen und Staunen über die kleinen und großen Wunder sind schon in dieser Welt und auch angesichts des baldigen Endes Zeichen eines unauslöschlichen ewigen Lebens.

Mit einem Sterbesegen haben wir Hans Bold in der Pflegewohngemeinschaft verabschiedet. Wir glauben, dass Gott sich dem Sterbenden zuwendet und wir hoffen, dass alles, was sein Leben ausmacht, bei Gott ein gutes Ende finden wird und mit Jesus Christus zur Auferstehung gelangt. Dr. Johann Jakob